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Pelz Collection

Von Paralleluniversen der Kunstwelt

Updated: May 4, 2019


Der deutsche Kunstwissenschaftler Julian Denzler, Kurator des Kunstverein Friedrichshafen und des Schweizer Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen, sprach mit Jan-Hendrik Pelz über das Kunst sammeln, sein freundschaftliches Verhältnis zu den Künstlern sowie über Höhen und Tiefen der Gegenwartskunst. Das Gespräch fand im Rahmen der Ausstellung „Einmaleins (maleins)“ in den Räumen des Kunstverein Friedrichshafen statt.





Julian Denzler: Herr Pelz, seit wann sammeln Sie Kunst und welche Linie verfolgen Sie dabei? Wie würden Sie den Schwerpunkt Ihrer Sammlung definieren?


Die Pelz Collection besteht seit 2015. Meine ersten Werke, die ich bewusst für die Sammlung erstanden habe, stammen von Gregor Schneider. Hiernach folgten drei Zeichnungen von Albrecht Dürer. Ich sammle ausschließlich Gegenwartskunst.


Julian Denzler: Albrecht Dürer? Ein bedeutender Künstler der Renaissance. Seine Werke zählen jedoch nicht zur Gegenwartskunst.


Doch, sicher. Albrecht Dürer hat mich sogar zu sich nach Düsseldorf zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Ein sehr netter Kontakt entstand und bis heute pflegen wir ein freundschaftliches Verhältnis.


"Albrecht Dürer hat mich sogar zu sich nach Düsseldorf zu Kaffee und Kuchen eingeladen."

Julian Denzler: Sprechen wir möglicherweise von unterschiedlichen Künstlern gleichen Namens? 


Das stimmt! Die stetig wachsende Sammlung umfasst ausschließlich Werke, die von Namensvettern bekannter Künstler erschaffen wurden.


Julian Denzler: Das ist erstaunlich! Wie gehen Sie dabei vor? 


Im Hintergrund steht eine breit angelegte Recherche und Vorarbeit. Meine Suche nach den entsprechenden Personen erfolgt in Namenverzeichnissen von Einwohnermeldeämtern, Telefonbüchern sowie über Social Media-Plattformen wie Facebook oder Instagram. Voraussetzung ist eine hundertprozentige Namensgleichheit mit bekannten Künstlern und Künstlerinnen der Kunstgeschichte oder Gegenwartskunst. Nach der Kontaktaufnahme folgt das Nahebringen meiner Idee: Warum sammle ich überhaupt in dieser Form? Welche Motivation steht hinter dem Projekt? Am Schönsten ist es natürlich, wenn ich einen Funken entzünden kann, der dazu führt, dass die kontaktierten Personen anfangen, kreativ für die Pelz Collection zu arbeiten... Für die meisten besteht vorab kein Kontakt zur Kunst und die entstandenen Arbeiten stellen ein erstes Kunstschaffen dar. Und daraus entstand in manchen Fällen eine Leidenschaft zur kreativen Arbeit, die dazu führte, dass die Teilnehmer auch weiterhin künstlerisch arbeiten. Das ist für mich ganz wunderbar!


"Am Schönsten ist es natürlich, wenn ich einen Funken entzünden kann, der dazu führt, dass die kontaktierten Personen anfangen, kreativ für die Pelz Collection zu arbeiten..."

Julian Denzler: Lassen Sie mich zusammenfassen: Sie motivieren Personen, bei denen eine Namensgleichheit zu bekannten Künstlern besteht, dazu, Kunstwerke für Ihre Sammlung herzustellen? 


Ja, genau!


Julian Denzler: Und nach der Fertigstellung kaufen Sie diese Werke?


Ja. Alle Künstler oder Künstlerinnen erhalten ein Honorar für die Arbeit. Außerdem übernehme ich Material- sowie Lieferkosten. Hierfür werden mir die Nutzungsrechte der Kunstwerke zugesichert. So kann ich diese in Zukunft in Druckerzeugnissen sowie Ausstellungen zeigen. Das Urheberrecht verbleibt selbstverständlich bei den Künstlern. 


Julian Denzler: Bei der Nennung der Künstlerliste entsteht für die Besucherinnen und Besucher vorab der Eindruck, es handle sich eine Auswahl bekannter Größen des Kunstbetriebs. Eine Täuschung?


Ich täusche niemanden. Wir täuschen uns doch ständig selbst! Wenn ich eine Ausstellung besuche und dort eine Arbeit von Gerhard Richter entdecke, dann gehe ich doch sofort davon aus, dass es sich selbstverständlich um jenen Künstler aus Köln handelt, der mit der Übertragung unscharfer Elemente der Fotografie in die Ölmalerei bekannt wurde. Es gibt jedoch hunderte von Menschen, die diesen Namen tragen, und ein anderer Richter malt ein anderes Bild. Selbstverständlich spiele ich mit dieser Suggestion, natürlich ist auch dies Thema meines Projekts. Aber es geht weniger um Täuschung, als um eine Hinterfragung unserer Erwartungen und den festgefahrenen Wahrnehmungspfaden, auf denen wir alle wandeln.

Es handelt sich hier um reale Arbeiten wirklicher Personen, die zwar allesamt eine Gemeinsamkeit in Bezug auf ihren Namen verbindet, die sich jedoch für ihre berühmten Namensvetter nicht rechtfertigen müssen. Hierin liegt die Spannung: Es geht weder um Täuschungen noch um Fälschungen; Vielmehr führt das Projekt vor Augen, wie uns die eigene Erwartungshaltung vorschnell Dinge annehmen lässt, die nicht unbedingt vorauszusetzen sind.


"Ich täusche niemanden. Wir täuschen uns doch ständig selbst!"

Julian Denzler: Ihre Kunstsammlung birgt einen konzeptuellen Ansatz, der mit Erwartungshaltungshaltungen spielt, Mechanismen des Kunstbetriebs -hier des Starkults- thematisiert und die Rollen innerhalb des Kunstbetriebs ins Wanken bringt. Das sind allesamt Themen, die bereits in Ihren bisherigen künstlerischen Projekten auftauchten. Sehen Sie sich als Sammler losgelöst von Ihrem eigenen Schaffen oder verstehen Sie das gesamte Projekt als künstlerische Arbeit? 


Das ist eine Frage, die ich nur bedingt beantworten kann. Ich versuche, Grenzen aufzuweichen und bestimmte Umrandungen zu hinterfragen. Wer will, kann das Projekt gerne als Konzeptkunst verstehen. Es ist jedoch viel mehr als das konzeptuelle Gerüst. Die gesammelten Werke sind nicht als „Trägermedium“ der Idee zu verstehen, sondern existieren parallel zu dieser. Schließlich baue ich ja tatsächlich eine Sammlung auf und verfolge wirkliches Interesse an den zusammengetragenen Werken und Künstlern. Der Erstkontakt mit dem Kunstschaffen sowie die entgegengebrachte Wertschätzung, die die in kunstfernen Bereichen tätigen Teilnehmer erleben, ermöglicht eine vollkommen freie und unvoreingenommene Herangehensweise an die Kunst. Die entstandenen Werke verfügen über eine zwar naive, jedoch auch freche, erfrischende Bezugslosigkeit zur Kunsttheorie, die der professionalisierten Gegenwartskunst oft die typische Unzugänglichkeit und Schwere verleiht.

Hier bin ich Vermittler, Kurator, Künstler und Sammler in einem. Vielleicht verhält es sich ja diesbezüglich ähnlich wie mit den Namen: Unsere Erwartungshaltungen und Erfahrungen lassen uns Grenzen ziehen zwischen Bereichen, die möglicherweise gar nicht so klar umrandet sind wie es scheint. Aber ohne meine Rolle als Künstler geht es eben auch nicht. Die Einbindung der Arbeiten, die losgelöst vom konzeptuellen Ansatz des Projekts als Gegenwartskunst nicht bestehen könnten und wahrscheinlich in den „Hobbykunstbereich“ verbannt werden würden, demonstriert mit zwinkerndem Auge die Rolle des zeitgenössischen Künstlers als Entwickler von Ideen und Behauptungen, der die „Ernennung zum Kunstwerk“ rechtfertigt. Man sagt ja, dass die Sammler die neuen Künstler sind. Und die Künstler die neuen Kuratoren. (lacht)

Schlussendlich stiften diese Umkehrungen eine Reihe Verwirrungen, in deren Rahmen die Möglichkeit besteht, neue Erfahrungen zu machen.


Julian Denzler: Wie wichtig ist die Verbindung und der Austausch mit den Teilnehmern Ihres Projekts und die neuartige Bedeutung, die sie diesen geben?


Die Rolle des Künstlers sowie die ihm entgegengebrachten Erwartungen, all die Klischees, die wir mit dieser Figur verbinden; Das hat mich seit jeher interessiert! Ich sehe den Selbstbezug, meinen Auftritt in vielen Rollen, als performatives Element meiner Arbeit. Damit thematisiert sich der Künstler letztendlich ja auch selbst in der Rolle, die er sich zuschreibt oder die Ihm zugeschrieben wird. Aber auch die Reflexion des Systems, in dem ich wirke, hat für mich Wichtigkeit.

Der Begriff der Performance kann erweitert gedacht werden: Vollbringen die von mir motivierten Teilnehmer, die nun erstmalig künstlerisch arbeiten, eine Performance, in der sie als Künstler auftreten? Sind sie Künstler oder Kunstwerk? Wo liegt die Autorenschaft? Gerade die Schwammigkeit der Grenzen, die diese Fragen aufzeigen, interessiert mich.

Auch die Tatsache, ein Anstifter zur Kunst zu sein, ist mir natürlich wichtig und von Bedeutung...  


"Auch die Tatsache, ein Anstifter zur Kunst zu sein, ist mir natürlich wichtig und von Bedeutung.."

Julian Denzler: Wie verhält es sich mit Absagen? Tritt Ihnen auch Unverständnis entgegen? Ich könnte mir vorstellen, dass Ihre Anfrage doch auch mit Hemmungen auf Seiten der potenziellen Teilnehmer verbunden sein könnte... 


Natürlich gibt es Absagen. Das ist für mich immer ein trauriger Moment. Meist steht das Misstrauen gegenüber einer fremden Person mit einer ungewöhnlichen Idee oder das fehlende Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten im Mittelpunkt. Oft ist es auch der festgefahrene Kunstbegriff, an dem es scheitert: „Ich kann das doch gar nicht!“ Ich versuche dann, diese ungünstigen Vorstellungen vom „Richtig“ und „Falsch“ in der Kunst zu zerstreuen und gebe positive Beispiele in Bezug auf einen erweiterten Kunstbegriff. Es geht darum, den Leuten zu zeigen, wie man sich von festgefahrenen Denkmustern frei machen kann, indem man diese hinterfragt. Erst dann kann man sich auf ein Experiment einlassen, einen Schritt ins Unbekannte wagen und zulassen, dass etwas Neues entsteht. Dabei kann bekannterweise auch das Scheitern produktiv sein, wenn man dieses nicht als Fehltritt definiert.

Und das ist ja die Herausforderung, die Vorgehensweise, die ich eben selbst als Künstler vor jedem neuen Projekt verinnerlichen und umsetzen muss! Das ist nicht immer einfach. So gesehen sitzen wir diesbezüglich alle im selben Boot.


Julian Denzler: Welchen Stellenwert geben Sie den Begegnungen und den individuellen Geschichten, die hinter den Teilnehmern und deren Werken stehen?


Hieran liegt mir sehr viel. Ich habe zu einigen der Künstler eine freundschaftliche Verbindung aufbauen können und stehe mit diesen nach wie vor im Austausch. Jede Herangehensweise, jeder Umgang mit meiner Anfrage und der damit verbundenen Aufgabe ist einzigartig. Mich interessiert dabei auch immer die psychologische Dimension.

Und das meine ich nicht nur in Bezug auf die Teilnehmer, sondern auch auf mich selbst: Was macht das Projekt mit mir, welche Erfahrungen bringt es mir, in welcher Form erweitert es mein Wissen, meine Fähigkeiten sowie die Grenzen meiner Person? Denn schließlich ist der Künstler weniger ein Lehrer, sondern eher ein Lernender, der sich seine Aufgaben selbst stellt und andere am Moment der Erkenntnis teilhaben lässt. Das klingt vielleicht etwas hochtrabend, ist jedoch essenziell.

Fast alle Teilnehmer wurden schon ihr Leben lang mit ihren besonderen Namen konfrontiert und fanden dadurch eine Verbindung zur Kunst; Man stelle sich einen Max Beckmann an der Supermarktkasse vor, der in ein Gespräch über expressive Ölmalerei verwickelt wird. Einen Albrecht Dürer, der selbst Recherchen zum Stammbaum seines Namens durchführt und Kontakt zu einem weiteren Dürer in Norddeutschland aufnimmt, mit dem er schließlich gemeinsam eine Dürer-Ausstellung in Nürnberg besucht. An einen Anselm Kiefer, der für ihn unverständliche Briefe von einem Galeristen erhält, der diese offensichtlich an den richtigen Namen, jedoch die falsche Person geschickt hat. An einen Carsten Höller, der nach Berlin reist, um die Arbeit „SOMA“ seines Namensvetters im Hamburger Bahnhof zu sehen und sich selbst vor dieser fotografiert. Wie weit beeinflusst uns der Name, der uns gegeben wurde? Wie weit prägt er die eigenen Erwartungen an uns selbst und unser Umfeld? Viele der Teilnehmer haben mir erzählt, schon öfters mit dem Gedanken gespielt zu haben, künstlerisch zu arbeiten, da es doch „diesen berühmten Namensvetter in der Kunst“ gibt... Inwiefern war den Eltern diese Verbindung zur Kunst bei der Namensgebung bewusst und welche Erwartungen waren damit verbunden? Tatsächlich haben verschiedene Forscher aus dem Bereich der Psychologie in Studien herausgefunden, dass Namen einen nachweisbaren Einfluss auf die spätere Berufswahl, die Stellung in der Gesellschaft und sogar das zu erwartende Gehalt haben können. Man amüsiert sich über irgendeinen Hans-Wurst, der später Metzger wird oder den Zahnarzt Dr. Wurzel, aber vielleicht steckt mehr dahinter, als man annimmt! (lacht)


"Denn schließlich ist der Künstler weniger ein Lehrer, sondern eher ein Lernender, der sich seine Aufgaben selbst stellt und andere am Moment der Erkenntnis teilhaben lässt."


Julian Denzler: Das könnte wohl war sein! Aber um noch einmal direkt auf den Kunstbetrieb zurückzukommen: Ihr Projekt greift die Tatsache auf, dass sich Museums- und vor allem Privatsammlungen häufig mit großen Künstlernamen schmücken und die Sammlung unter eigenem Namen öffentlich präsentieren. Ein einfacher Weg, sich als Sammler und Privatsammlung durch große Künstlernamen kulturelles Kapital zu verschaffen. Vorausgesetzt natürlich, dass man hat das nötige Kleingeld zu Verfügung hat. Ihr Projekt greift diesen Mechanismus auf, lässt ihn aber ins Leere laufen...


Nun ja. Klar ist, dass die Namensliste der gesammelten Künstler der „Pelz Collection“ auf den ersten Blick suggeriert, es mit Arbeiten bekannter Künstler/innen zu tun zu haben. Erst eine genauere Auseinandersetzung mit den Kunstwerken lässt Zweifel aufkommen. Dabei wird dem Betrachter die eigene Erwartungshaltung gegenüber Kunst und Künstlern vorgeführt. Die Wertigkeit, die oft weithin unhinterfragt mit großen Namen verbunden wird und hierdurch im Kunstmarkt bewusst zelebriert wird, entpuppt sich als ungesicherte Annahme. Dieser Starkult, dieses „Name-Dropping“ ist ja nicht nur im Kunst- und Kulturbetrieb eine gängige Strategie zur Aufwertung und Profilierung, die auch oft mit finanziellen Interessen verbunden ist.

Das Spiel mit dem Betrachter sowie dessen Verunsicherung, die konzeptuelle Einbindung von Kunstinstitutionen sowie die performativ eingenommene Rolle als Kunstsammler verbindet sich in meinem Projekt schon auch zu einer Systemkritik, die auf humorvolle Art und Weise neue Freiräume und Herangehensweisen für die Kunst auftun will. 


Julian Denzler: Sie sprachen von geplanten Ausstellungen, bei denen die Werke der Sammlung gezeigt werden sollen. Sind weitere Ankäufe geplant? Welche Pläne haben Sie mit der „Pelz Collection“ in Zukunft?


Was die Größe der Sammlung angeht, schließe ich mich dem Motto vieler Kunstsammler an: Je größer, je besser! (lacht)

Ein dringender Wunsch wäre, dass sich Frauen am Projekt beteiligen. Bisher konnte ich leider noch keine weiblichen Teilnehmerinnen hierfür gewinnen. Das ist sehr schade!

Außerdem plane ich längerfristig, feste Standorte der Sammlung zu eröffnen. Ich denke hier an „klassische Orte der Kunstpräsentation“, an Museen. An gut ausgestattete Ausstellungsräume mit regelmässigen Öffnungszeiten, um den Besuchern den Gedanken und die Werke meiner Sammlung näherzubringen. Hierbei würde ich gerne Häuser in Rom, Berlin und Paris eröffnen. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass mein Rom in Mecklenburg-Vorpommern liegt und 801 Einwohner verzeichnet. Berlin ist ein Dorf in Maryland, USA und hat 3500 Einwohner. Es wurde bekannt als Filmkulisse des Klassikers „Die Braut, die sich nicht traut“. Und in Paris in Texas gibt es sogar einen kleinen Nachbau des Eifelturms, wenngleich die Stadt nur von 25 000 Einwohnern bewohnt wird. (lacht) Ich bin mir auch hier nicht sicher, wie man die Grenze ziehen müsste: Begehbare Skulptur, Museum oder Teil eines Paralleluniversums zur Kunstwelt? Wahrscheinlich alles auf einmal! (lacht) Es wäre wunderbar, wenn sich hierfür Förderer oder Unterstützer finden würden. 


Julian Denzler: Eine Sammlung mit großen Visionen! Ich wünsche Ihnen bei all diesen Vorhaben viel Erfolg und bin sehr gespannt, wie es mit der „Pelz Collection“ weitergehen wird. Vielen Dank für das Gespräch!


Ich danke ebenso! 


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